Kein Tabu-Thema mehr

Baden-Baden - 16.12.2021

Kein Tabu-Thema mehr

Die Nächte von Leon und mir waren von Wein- und Wutanfällen geprägt. Wir lagen zusammen abends im Bett und versuchten unsere Tochter Charlotte zu trösten, die vor lauter Juckreiz nicht schlafen konnte. Kühlten ihre Haut, klopften sie, versuchten sie abzulenken. Oft vergebens und oft durch den eigenen Schlafmangel am Limit unserer Kräfte. Manchmal auch mit den irrationalen Gedanken: Warum wir? Warum unsere Kleine? Warum muss sie so leiden und darf nachts nicht einfach so sorglos schlafen, wie andere Kinder. – Das waren tatsächlich unsere Tiefphasen, ohne Schlaf und mit bloßer Frustration.

So sah unser Leben noch vor einem Jahr aus. Fast jede Nacht dasselbe Szenario, neben einer Odyssee aus Terminen bei erfahrenen Dermatologen, Hausmittel-Selbstversuchen und der Angst, dass es nie besser wird. Aber es ist besser geworden, nachdem wir uns Hilfe gesucht und unsere Einstellung zur Krankheit geändert haben. Wir waren bei Neurodermitis-Schulungen, haben mit anderen betroffenen Familien gesprochen und aus Neurodermitis kein Tabu-Thema mehr gemacht. Wir haben angefangen, auch mit Charlotte offener über ihre Krankheit zu sprechen und versucht, sie mehr einzubeziehen. Damit konnte sie ein eigenes Verständnis entwickeln und eine Art Beziehung zur Neurodermitis aufbauen. Die Krankheit wurde zu einem Begleiter, den Charlotte jetzt besser annehmen kann und wodurch sich auch die Juckreizschübe vermindert haben. Schlaflose Nächte gibt es immer noch, wir haben als Eltern aber damit angefangen, uns abzuwechseln, sodass wenigstens einer schlafen und am nächsten Tag übernehmen kann.

Marlit (32) und Leon (31) mit Charlotte (4)


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